Table of Contents Table of Contents
Previous Page  12 / 17 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12 / 17 Next Page
Page Background

300

CLB Chemie in Labor und Biotechnik, 56. Jahrgang, Heft 09/2005

und Xanthophylle in den Blättern der Pflanzen koope-

rieren, um einen großen Teil des sichtbaren Lichtes

für die Fotosynthese zugänglich zu machen. Und ist

nicht auch die Luft ein geniales Stoffgemisch? Enthielte

sie nämlich deutlich mehr Sauerstoff, würde auf Erden

vieles verbrennen. Umgekehrt, bei einem zu geringen

Sauerstoffgehalt, würden zahlreiche Lebewesen ersti-

cken. Ähnlich verhält es sich mit dem Kohlenstoffdioxid

in der Luft. Wäre da weniger, gäbe es die Fotosynthese

nicht. Und bei zuviel des Gases würde der Treibhaus-

effekt noch verheerendere Folgen nach sich ziehen.

Wenn den Schülern derartige Feinordnungen in der

Natur bewusst werden, bleibt vielleicht ein Gefühl der

Ehrfurcht vor ihr. Verdeutlichen lässt sich dies sehr

anschaulich, indem beispielsweise Verbrennungen

– etwa von Glucose – in reinem Sauerstoff durchge-

führt werden: Ist die Sauerstoffzufuhr ausreichend, so

reicht eine kleiner Funke, und die organische Materie

reagiert in einer stark exothermen Umsetzung nahezu

vollständig mit dem bereitgestellten Sauerstoff zu Koh-

lendioxid und Wasser. Entsprechend lassen sich übli-

che Redoxreaktionen mit dem sehr viel ungeeigneteren

Oxidationsmittel Stickstoff kaum durchführen – hier

gelingt bestenfalls die Umsetzung mit Magnesium zu

Magnesiumnitrid. An einen Katabolismus organischer

Materie unter den Bedingungen etwa des menschli-

chen Organismus (ca. 37°C, Normaldruck) ist da nicht

zu denken.

So kann man die Überlegung „Die Mischung macht’s“

auch auf den schmalen Temperaturkorridor übertragen,

der bestehen muss, damit Lebensformen existieren kön-

nen. Verglichen mit stellaren Bedingungen von vielen

Millionen Grad Celsius leben wir auf der Erde quasi

am absoluten Nullpunkt. Dass dennoch der Mensch auf

einen Temperaturkorridor von ca. 35-40°C beschränkt

bleiben muss, um den Ablauf seiner biochemischen Pro-

zesse zu gewährleisten, unterstreicht die Sensibilität

der Naturbalance. Selbst wenn man alle bakteriellen

Lebensformen mit einbezieht, so kann das Leben, wie

wir es kennen, eine maximale Temperaturspanne von

–20°C bis +90°C tolerieren. Experimente mit Trocken-

eis oder – wenn vorhanden – flüssigem Sauerstoff und

flüssigem Stickstoff führen die surreal anmutenden

Umweltbedingungen vor Augen, die herrschen würden,

wenn wir mit minimal veränderten Temperaturbedin-

gungen „leben“ müssten.

Vom dummen Jungen und

von gescheiten Professoren

Ehrfurcht vor dem Leben kann sich bei Schülern u. a.

entwickeln, wenn sie sich der Perfektion biochemischer

Prozesse bewusst werden. Wem gelingt es besser, Fette

zu hydrolysieren oder Eiweiße in Aminosäuren zu zerle-

gen, als den körpereigenen Lipasen bzw. Proteasen. In

Anbetracht der Effektivität dieser Biokatalysatoren ver-

blassen Haber-Boschs Eisenkatalysator zur Ammoniak-

synthese oder Wilkinsons Hydrierkatalysator vor Neid.

Experimentell zeigen lässt sich der enorme energeti-

sche Aufwand bei der Luftverbrennung zur Herstellung

geringer Mengen Salpetersäure aus der Umsetzung von

Luftstickstoff mit Luftsauerstoff und anschließender

Zugabe von Wasser. Die technischen Anstrengungen

des Menschen zur Herstellung von Nitraten aus dem

reaktionsträgen elementaren Stickstoff können sich

nicht mit den biokatalytischen Meisterleistungen der

Stickstoff-fixierenden Mikroorganismen messen, die

unter „natürlichen“ Temperatur- und Druckbedingun-

gen jährlich bis zu 200 Millionen Stickstoff umsetzen,

Dreiviertel des natürlichen Stickstoffkreislaufs.

Technische Katalysatoren zu entwickeln und die in-

teressanten Strukturen von Proteinen aufzuklären sind

zwar forscherische Meisterleistungen, doch es dürfen

Wetten darauf angenommen werden, dass es keinem

Chemikern gelingen wird, Aminsäuren zu naturidenti-

schen Proteinen zu polykondensieren. Schopenhauer

brachte es auf den Punkt:

„Jeder dumme Junge kann

einen Käfer zertreten, aber alle Professoren der Welt

können keinen zusammensetzen.“

Im Anfang war das Wort

Strukturchemisch noch interessanter als die Proteine

ist die DNA, die das menschliche Genom bestimmt.

Dieses als Reihenfolge der lediglich vier verschiedenen,

an ein aus Phosphorsäure und Desoxyribose entstande-

Wertevermittlung im Chemieunterricht

Astronomen haben einen extrasolaren Planeten entdeckt, die so nahe einen

sonnenähnlichen Stern umfliegt, dass er große Mengen seiner Materie ins Weltall

abbläst. Den Jupiter-ähnlichen Gasplaneten HD 209458b zwischen Sonnenfeuer und

Weltall-Kälte, dessen Umlaufbahn nur sieben Millionen Kilometer von dem Stern

entfernt ist, visualisierte der Künstler Alfred Vidal-Madjar (Institut d‘Astrophysique

de Paris, CNRS, France). Leben wie wir es kennen gibt es nur in einem sehr engen

Temperaturbereich, sicher nicht auf solch einem Planeten (Abb.: NASA).