Seite 21 - Nahrungsmittelergänzung_

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Ungewollt gedopt?
V. Wiskamp und M. Holfeld
Das Thema Doping sorgt immer wieder durch aktuelle Fälle für Gesprächsstoff (vgl. [1]).
Jugendliche fragen im Sport- oder Chemieunterricht nach, wie mit Hilfe von chemischen Sub-
stanzen die Leistungsfähigkeit des Körpers gesteigert werden kann und welche Gefahren da-
mit verbunden sind. Es ist ihnen bewusst, dass ein Sportler, der gezieltes Doping betreibt,
kriminell handelt. Kann es aber auch sein, dass er ungewollt gedopt ist? Weil er beispielswei-
se im Krankheitsfall Medikamente zu sich genommen hat, die nicht nur heilend, sondern auch
leistungsfördernd wirken? Und dopt sich nicht mancher Jugendliche selbst mit Partydrogen,
um eine ganze Nacht wild durchtanzen zu können?
1 Einleitende Überlegungen
Die Frage, ob man ungewollt gedopt sein kann, kam insbesondere durch dem Fall
Dieter
Baumann
auf. Der Langstreckenläufer wurde 1999 der Einnahme von Nandrolon überführt.
Er bestritt vehement, diesen Stoff bewusst verwendet zu haben, und bestand auf einer Durch-
suchung seiner Wohnung. Dort fand man eine Zahnpasta, die nandrolonhaltig war. Es gab
zahlreiche Vermutungen, wie das Steroid in die Zahnpasta gekommen sein könnte. Während
Baumann
und seine Verteidiger erklärten, man habe ihm das Nandrolon untergeschoben, um
sich für sein Engagement gegen Drogen (Aktion „Keine Macht den Drogen“) und Doping zu
rächen und ihn bloßzustellen, erklärten seine Gegner und Ankläger, er habe die Zahnpasta
selbst mit dem Prohormon versetzt, um sein bewusstes Doping zu vertuschen. Was genau
passierte, ist bis heute nicht aufgeklärt.
Dass es aber legale Nahrungsmittel und -ergänzungsmittel gibt, die auf der Dopingliste ste-
hende Substanzen enthalten, zeigte der Fall
Alexander Leipold
. Der Ringer gewann in Sydney
olympisches Gold. Eine Kontrolle überführte ihn allerdings des Dopings mit Nandrolon, und
er musste die Medaille wieder abgeben.
Leipold
bestritt, gedopt zu haben, und beauftragte ein
auf den Nachweis von Dopingstoffen spezialisiertes Labor, seine gesamten Nahrungsergän-
zungsmittel zu untersuchen. Eine nicht gerade kleine Aufgabe, wenn man bedenkt, dass der
Athlet über 90 verschiedene legale Nahrungsergänzungspräparate eingenommen hatte. Tat-
sächlich fand das Analytikerteam in einem davon eine nicht unerhebliche Menge an Nandro-
lon, das nicht als Inhaltstoff deklariert war. Bei weiteren Nachforschungen kam heraus, dass
das Präparat in Amerika von einer Firma hergestellt wurde, die auch Prohormone herstellt. In
einigen Bundesländern der USA ist es Sportlern erlaubt, solche einzunehmen. Untersuchun-
gen ergaben, dass die Behälter und Maschinen einer Produktionsfirma nicht genügend gerei-
nigt worden waren, so dass ein kontaminiertes Produkt auf den Markt kam, das bei der Ein-
nahme von zwei Tabletten einen unzulässig hohen Nandrolongehalt von 2 ng/ml Urin hervor-
rief.
Die Gefahr, sich ungewollt zu dopen, ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Bei
Schwimmweltmeisterschaften in Japan hatte das Deutsche Olympische Komitee seine Sport-
ler ausdrücklich davor gewarnt, nicht der japanischen Tradition entsprechend viel grünen Tee
zu trinken, weil dieser das (relativ schwach wirkende) Stimulanz Coffein enthält.
Bis Ende 2003 war der Genuss von Kaffee für Sportler problematisch, denn sehr schnell wur-
de der Grenzwert für Coffein, den das Olympische Komitee auf 12 µg/ml Urin festgesetzt
hatte, erreicht. Mittlerweile steht das Xanthinderivat zwar nicht mehr auf der Dopingliste,
„wird aber weiterhin beobachtet“. Deshalb hat im April 2005 eine deutsche Firma vorsichts-
halber ihr coffeinhaltiges Haarshampoo mit einem Warnhinweis für Leistungssportler verse-
hen [2].